by Bündtihus
 
Fehlstart

Fehlstart

Mein erster Morgen im Oman beginnt damit, dass ich mein barrierefreies Badezimmer im Hotel unter Wasser setze. So ganz ohne Schwellen konnte sich das Duschwasser hemmungslos über den ganzen Boden hinweg verteilen. Der Ablauf hatte versagt: Überforderung, Verstopfung, keine Ahnung. Aber zum Glück habe ich ja meine Froschcrocs dabei. Mit denen lässt sich bequem durchs Wasser waten.

Crocs sind eine feine Sache, wenn es feucht ist.

Bevor ich zum Frühstück runtergehe, will ich noch etwas umpacken, mich bereit machen für die nächsten vier Tage in der Wüste: Alles Wichtige kommt in den Rucksack, der Rest bleibt im Koffer. Auch die Froschcrocs. Sie kommen erst am Meer zum Einsatz.

In der Nacht, gleich nach Ankunft im Hotel, hatte ich schon einmal eine kleine Auslegeordnung auf der Theke gemacht. Aber jetzt am Morgen fehlen zwei wichtige Dinge, respektive ich sehe sie nirgends: Pass und Portemonnaie.

Panik klopft leise an. Denn ich bin sicher, dass ich die beiden auch auf die Theke gelegt hatte. Damals, morgens gegen 2.30 Uhr, kurz bevor ich nach einem üppigen Fisch-Biryiani und anderthalb Flaschen Kingfisher-Bier im Hotelrestaurant zufrieden im Bett versank. (Ich musste Anne mit dem Bier helfen. Ihr war es zu viel.)

Ich durchsuche das Zimmer, wühle verzweifelt durch Koffer und Rucksack. Ich kann und will einfach nicht glauben, dass in der Nacht jemand in mein Zimmer geschlichen sein und mich bestohlen haben soll. Widerstwillig freunde ich mich aber mit dem unangenehmen Gedanken an. Das Geld könnte ich ja noch verschmerzen, die Kreditkarte sperren lassen. Aber das mit dem Pass kann sehr, sehr mühsam werden.

Ich renne die Treppe hinunter, vom vierten in den zweiten Stock, weil ich mit Anne um 9 Uhr herum zum Frühstück abgemacht hatte und ich mich abmelden will. Sie ist noch nicht hier. Von links her nähert sich mir eine Dame und begrüsst mich mit einem sehr freundlichen „Guten Morgen!“ Ich bin so aufgebracht, dass es mich nicht einmal erstaunt, dass mich in einem Hotel im Oman eine wildfremde Frau auf Deutsch und statt auf Englisch anspricht. Kurze Pause. Dann sagt die Frau: „Wir kennen uns!“ Erst jetzt schaue ich genauer hin und realisiere, wer da vor mir steht: Aida! Meine Arabischlehrerin von damals, an der Volkshochschule in Basel. Dabei hatte ich mich schon Wochen zuvor auf unser Wiedersehen nach sieben Jahren gefreut! Weil die Organisatoren der Reise uns vorab die Teilnehmerliste zugeschickt hatten, wusste ich nämlich, dass sie und ihr Ehemann Edward auch dabei sein würden.

Ich falle Aida um den Hals, kann mich aber gar nicht so richtig freuen. Es blubbert nur so aus mir heraus, dass ich meinen Pass und mein Portemonnaie vermisse. Aida fühlt mit und rät mir, an die Reception zu gehen und dies zu melden. Versucht mich zu beruhigen, man verlege eben ab und zu Dinge. Das sei ihr auch schon passiert.

Unten, an der Reception hört sich die Frontmanagerin meine Geschichte an. Sie versichert mir in einer Seelenruhe, die ich irgendwie unangebracht finde, dass es unmöglich sei, dass nach Mitternacht noch jemand Unbefugtes ins Hotel und schon gar nicht in mein Zimmer komme. Ich glaube es ihr nicht so richtig. Sie verspricht mir, dass Sie mir zwei Mitarbeiter vom Housekeeping aufs Zimmer schicken würde, damit diese mir beim Suchen helfen. Ich bin immer noch nicht überzeugt, gehe wieder zu meinem Zimmer hoch.

Der Eisvogel hats in sich.

Wenige Minuten später stehen bereits zwei Männer, vermutlich aus Indien oder Bangladesh, vor meiner Türe. Ich lasse sie herein. Die beiden machen sich sogleich daran, dass ganze Zimmer auf den Kopf zu stellen. Sie scheinen Profis in solchen Sachen zu sein. Sie suchen alles ab, nehmen das Bettzeugs auseinander, schauen unter der Matratze. Sie durchwühlen auch meinen Koffer und knöpfen sich meinen Rucksack vor. „What is this?“, fragt einer von ihnen. Er hat im Innern etwas im Rucksack ertastet. Er geht der Sache nach und greift tief ins Innere des Rucksacks hinein. Dann fischt er zwei Dinge heraus.

Die Erleichterung ist gross, die Demütigung noch grösser. Es sieht so aus, als hätte ich meinen Pass und mein Portemonnaie vor dem zu Bett gehen in dieser Innentasche im Rucksack versteckt. Im Geheimfach, damit sie allfällige Einbrecher nicht finden. Nur habe ich keinerlei Erinnerung daran. Blank. Ich weiss nicht einmal mehr, dass es diese Innentasche gibt.

Ich bedanke mich überschwänglich bei den beiden Männern, drücke jedem von ihnen einen Rial in die Hand. Sie bieten mir noch an, meinen Koffer für mich zu packen. Aber ich lehne dankend ab. Ich möchte jetzt einfach nur noch alleine sein und in den Boden versinken. Offensichtlich war das Kingfisher viel zu stark und viel zu viel für mich.

Und ich schwöre mir: Keinen Schluck Alkohol in den kommenden 14 Tagen.

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